Gespeichert und vergessen. Bedroht Digitalisierung die europäische Bildungs- und Erinnerungskultur?

Gespeichert und vergessen. Bedroht Digitalisierung die europäische Bildungs- und Erinnerungskultur?

Am 27.05.2019

Veröffentlicht von Bodenseezentrum Innovation 4.0


Gespeichert und vergessen. Bedroht Digitalisierung die europäische Bildungs- und Erinnerungskultur? 

Prof. Dr. theol. habil. Thomas Schlag; Universität Zürich

Die Möglichkeiten digitaler Speicherung sind inzwischen fast unbegrenzt. In Clouds und auf Datenträgern werden Biografien, wesentliche Erinnerungsstücke und Geheimnisse abgelegt. Wesentliches wird verborgen und bleibt doch virtuell zugänglich und jederzeit greifbar. 

Führen diese Möglichkeiten digitaler Archivierung da­zu, dass zwar alles aufbewahrt werden kann, sich die persönliche Bildung und Erinnerung aber ins Wolki­ge verflüchtigt und gegenstandslos wird? Braucht Erinnerung das Greifbare, Sicht­bare und Loka­le, die wirkliche Anschauung dessen, was man in Tagebüchern und Briefen, in Fotoalben oder im eigenen Bücher­regal real vor Augen hat?  Kann die digitale Form das er­setzen, was uns »die Alten« von Angesicht zu Anges­icht erzählen? Er­setzen digitale Speichermedien am Ende das für Europa wesentliche kollektive und kulturelle Gedächtnis, indem sie anschaulich-aktives Erinnern und Vergessen unnötig machen? Schließt »am Ende« die Cloud des Homo Deus die uralte Menschheits­suche nach Transzendenz, Gottesgegenwart und Unsterblichkeit ab? 

Im Rahmen des Vortrags werden gegenwärtige Phänomene ­digitaler Speicherkultur vorgestellt. Zugleich wird in bildungstheoretischer Perspektive nach den Bedingungen für eine ­persönlich und existentiell bedeutsame Bildungs- und Erinne­rungskultur im Kon­text der gegenwärtigen europäischen Herausforderungen gefragt.

Referent:
Prof. Dr. Thomas Schlag ist evangelischer Theologe und Politik­wissenschaftler. Er war Schüler an den evangelischen Seminaren Maulbronn und Blaubeuren und studierte in Tübingen und München. Nach einer Promotion im Bereich der theologischen Ethik wurde er im Jahr 2000 Studienleiter an der evangelischen Akademie Bad Boll. Nach seiner Habilitation »Horizonte demokratischer Bildung. Evangelische Religionspädagogik in politischer Perspektive« wurde er im Jahr 2005 auf den Lehrstuhl für Praktische Theologie mit den Schwerpunkten Religionspädago­gik, Kirchentheorie und Pastoraltheologie an die Universität Zürich berufen. Eines seiner Forschungsgebiete ist der Themenbereich »Digitaler Religion(en)« und deren Kommunikations- und Interaktions­formen in der digitalen Gesellschaft.

Weitere Informationen zu der Vortragsreihe und Veranstaltung finden Sie hier.